Das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin präsentiert vom 4. November 2017 bis zum 7. Januar 2018 im Kulturhaus Karlshorst eine kulturhistorische Ausstellung zur Künstlerin Ruth Baumgarte (1923–2013). Gleichsam am Originalschauplatz, dem Stadtteil Karlshorst, in dem Ruth Baumgarte aufwuchs, werden historische Dokumente, künstlerische Arbeiten und Fotografien aus der Frühzeit der Künstlerin, von Geburt bis ins Jahr 1946, gezeigt.
Unter dem Titel Ruth Baumgarte. Herkunft/Prägung/Zäsuren beleuchtet die Ausstellung im Kulturhaus Karlshorst das Leben der Schülerin und Kunststudentin Ruth Baumgarte von 1923 bis 1946 – und damit ausgehend von ihrer Geburt in der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg bis in die ersten Nachkriegsmonate hinein.
Ruth Baumgarte, 1923 in Coburg geboren, wuchs als Tochter der Schauspielerin Margarethe Kellner-Conrady und des Schauspielers, Regisseurs und späteren Ufa-Direktors Kurt Rupli in Berlin und ab 1935 im Stadtteil Karlshorst auf. Von 1941 bis 1944 studierte sie an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste und erlebte unmittelbar den Krieg und später die Schlacht um Berlin. Infolge der Errichtung des sowjetischen Sperrgebietes in Karlshorst und der damit verbundenen Zwangsräumung musste sie ihr vertrautes Viertel verlassen und nach Lichtenrade umsiedeln. Aufgrund ihrer Ehe mit einem aus Bielefeld stammenden Studienkollegen, dem Künstler Eduard Busse, zog sie 1946 nach Bielefeld um, wo sie sich eine Existenz als freie Malerin und Grafikerin aufbaute.
Immer dem Gegenständlichen verpflichtet, entwickelte sie ein umfang- und variantenreiches Lebenswerk voller Farbenkraft, das sowohl durch politisch-soziale Reflexionen als auch von ihren zahlreichen, späteren Reisen, besonders auf den afrikanischen Kontinent geprägt wurde. Ihre Arbeiten wurden in renommierten Galerien und Institutionen im In- und Ausland gezeigt. Ruth Baumgarte verstarb im Februar 2013.
Die Karlshorster Ausstellung erfasst das Zusammenspiel von Baumgartes künstlerischer Entwicklung und biografischer Erfahrung, speziell in den prägenden Jahren von Kindheit und Jugend. Auf der Basis persönlicher Unterlagen, künstlerischer Arbeiten und aufschlussreicher Zeitdokumenten rückt die Ausstellung das direkte persönliche Umfeld hinsichtlich elterlicher, kultureller, sozialer und politischer Erfahrungen als Katalysator für die künstlerische wie private Entwicklung der Malerin in den Mittelpunkt.
So wird beispielsweise mit der präsentierten, außerhalb der Hochschule entstandenen Arbeit Zigeuner im Regen (1943) Baumgartes ablehnende politische Haltung zur Deportation und geahnten Vernichtung der Sinti und Roma im dritten Reich deutlich. Ferner zeigt die Ausstellung anschaulich, wie die Künstlerin – in Zeiten der geistigen Kontrolle durch das Regime aber auch aufgrund materieller Einschränkungen – ihre Gefühle und ihren künstlerischen Drang durch Gedichte und Tagebucheinträge kompensierte.
Innerhalb von fünf chronologischen Konzeptsträngen (Herkunft, Kindheit/künstlerische Förderung, Ausbildung, Krieg und Nachkriegszeit) fragt die Ausstellung, woraus sich Ruth Baumgartes Kunst, ihr ausgeprägtes humanistisches Weltbild und ihr persönliches Interesse am Menschen speiste. Sie fragt konkret nach den Einflüssen, denen die junge Künstlerin unterlag und den Rollenangeboten, die ihr in ihrer Entwicklung zur Verfügung standen; wie und wodurch sie Zugang zu ihrer Kreativität und einem eigenen Ausdruck erlangte.
Kuratorin der Ausstellung ist die Weimarer Kunsthistorikern Dr. Sandra Mühlenberend. Das grafische und audiovisuelle Konzept wurde durch Tim Jolas, Berlin erarbeitet. Zur Ausstellung erscheint begleitend eine 176-seitige Buchpublikation mit einem Beitrag von Martin Fenner.