Online-Werkverzeichnis

Auf Initiative der Kunststiftung Ruth Baumgarte wurde 2022 das umfassende dreibändige Werkverzeichnis Ruth Baumgarte in Papierform publiziert, welches das gesamte Œuvre der Künstlerin Ruth Baumgarte (1923–2013) mit 3.616 Werken dokumentiert. Dazu zählen Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Illustrationen und Skizzenbücher.

Die gedruckte Papierfassung beruht auf den Inhalten einer digitalen Datenbank, die auch die inhaltliche Grundlage für das vorliegende Online-Werkverzeichnis bildet: Entstanden ist ein vielschichtiges Informationssystem, das mit seinen Filter- und Suchfunktionen weit über die üblichen Möglichkeiten eines gedruckten Werkverzeichnisses hinausgeht und nun allen Benutzer*innen offensteht. Seine Inhalte werden auf der Basis neuester Erkenntnisse fortlaufend aktualisiert.

Das Online-Werkverzeichnis ist so angelegt, dass Sie über diverse Suchfilter zielgenau arbeiten können. Daneben bietet es weitere Services wie das Ausdrucken von Ergebnislisten, denen Ihre individuelle Auswahl an Werken zugrunde liegen kann, sowie eine Suche über Verlinkungen in den Stammdaten der Werkeinträge.

Dabei können Sie den Katalog nach zahlreichen Schlagwörter durchsuchen, die gefundenen Werke zusammenstellen und ausdrucken.

100 Schlagwörter

Dieses Werkverzeichnis soll nicht nur Dokument und Dokumentation der über sieben Jahrzehnte umfassenden Schaffenszeit der Künstlerin sein. Wir stellen auf diese Weise Ruth Baumgartes gesamtes Œuvre in den Dienst der Forschung und regen sowohl ein breites Publikum als auch die fachlich interessierte Öffentlichkeit an, hier ihre Recherchen durchzuführen. Der vorliegende digitale Katalog ergänzt die dreibändige Printpublikation, womit das Vermächtnis der Künstlerin in die Zukunft getragen wird.

Presseinformation

Themen aus dem Werk von Ruth Baumgarte

Inspiration für Ruth Baumgartes 18-teilige Serie „A la recherche du temps perdu“

Ein großformatiges Aquarell mit der Darstellung eines Sandspielplatzes stellt im Jahr 1984 eine der ersten Arbeiten dar, mit der Ruth Baumgartes Serie „A la recherche du temps perdu“ (dt. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) ihren Auftakt nimmt. Im Titel bezieht sich die belesene Künstlerin auf den französischen Dichter Marcel Proust und seinen berühmten Romanklassiker „A la recherche du temps perdu“, der von 1913 bis 1927 erschien. Was ist das Thema dieses monumentalen Romanwerks des 20. Jahrhunderts? In der Schlüsselszene des Romans befreit sich der Ich-Erzähler von seinem Unvermögen, den Großteil seiner Vergangenheit wieder ans Licht zu holen. Der Biss in eine in Tee getunkte Madeleine wird für den Ich-Erzähler zum entscheidenden Auslöser. Durch den Geschmack des Gebäckstückes blüht unvermittelt ein verlorengeglaubtes Universum auf, das ihm erst jetzt wieder ins Bewusstsein kommt: Die Erinnerung an die Tage seiner Kindheit. Der Ich-Erzähler des Romans wird nicht nur an die alten Zeiten, sondern auch an die Optik des Kindes erinnert. In einem immensen Akt der Vorstellungskraft und des Sich-Erinnerns arbeitet er nun seine Erlebnisse auf, die sich autobiografisch an Marcel Prousts Leben anlehnen. Eine Erkenntnis des Romanwerks „A la recherche du temps perdu“ ist, dass die erlebte Zeit unwiederbringlich verloren ist, wenn sie nicht aktiv in der Erinnerung oder in einem Kunstwerk festgehalten wird. Nur im künstlerischen Prozess kann die verlorene Zeit wiederaufgefunden werden. 

Kraft der Imagination in Ruth Baumgartes „A la recherche du temps perdu“

Die lose Reihe von 18 großformatigen Papierarbeiten entsteht bei Ruth Baumgarte von 1984 bis 1999. Die Künstlerin entwirft Themen und Motive, die unterschiedliche Erinnerungen ihrer eigenen Bild- und Lebenswelt umkreisen. Sie reichen von sehr persönlichen zu historischen Reflexionen über die aktuelle und vergangene bzw. verlorene Welt, über autobiografische Erlebnisse bis zu kollektiven Ereignissen. Welche künstlerischen Mittel setzt die Künstlerin ein, um die komplexe Vielfalt ihrer Erinnerungen und die „Suche nach der verlorenen Zeit“(„A la recherche du temps perdu“) lebendig darzustellen? Wenn bei Marcel Proust Riechen und Schmecken als ästhetisches Erinnerungsportal fungiert, so setzt Ruth Baumgarte visuelle Mittel wie kontrastreiche Farbspektren und ungewöhnliche Raumkonstellationen in ihren Bildern ein, um die Kraft der Imagination in den dargestellten Figuren anzudeuten. Hinter der gegenständlichen Wirklichkeit, die Ruth Baumgarte in ihrem Werk zeitlebens verfolgte, liegt eine geheimnisvolle imaginäre Welt verborgen. Sowohl von der Künstlerin als auch von den Betrachtenden der Serie „A la recherche du temps perdu“ kann diese Bildwelt, die von Elementen des Symbolismus und Surrealismus durchzogen ist, nicht bis ins letzte Detail verstanden und ausgedeutet werden.

Themen Lebensalter, Frauenbilder, Legenden Kataloniens

Motivisch stellt die Serie zunächst die drei Lebensalter – Kindheit, Erwachsensein, Alter – ins Zentrum. Für die frühe Lebensphase sind bei Ruth Baumgarte Motive des kindlichen Spiels spezifisch, das den Wechsel von der Kindheit zur Adoleszenz prägt: Sandkasten und Spielzeug, Puppen und rote Luftballons tauchen auf. Diese spielerische Freiheit ist im Alter erheblich eingeschränkt, wie das Werk "Lebensabend I" zeigt. Die verminderte Beweglichkeit der älteren Frau macht sich nicht nur physisch durch den Gehstock bemerkbar, der bei ihr liegt. Das Älterwerden hat auch massive psychische Auswirkungen zur Folge, die durch den geschrumpften, kastenförmigen Innenraum in ihrer Komposition symbolhaft verdeutlicht werden. Ein anderes Themenfeld ihrer Serie „A la recherche du temps perdu“ umkreist die Emanzipation der Frau und deren Loslösung von der einengenden Bestimmung des Mannes. Die Künstlerin versetzt die weiblichen Figurenszenen mal in ein realistisches, mal in ein imaginäres Umfeld, das ihre Erscheinung und ihr Tun verrätselt. In diesen Traumlandschaften sitzen die Frauen von uns abgewandt nackt am Strand oder blicken uns aus imaginären Räumen direkt an, die Männer bleiben im Hintergrund. Während weibliche Akte in der Serie „A la recherche du temps perdu“ auf den ersten Blick verletzlich wirken mögen, vermitteln ihr Blick und ihre Körperhaltung Stärke, Eigensinn und Verführungskraft. Nur einmal kommt in einer Liebesszene die Verschmelzung beider Welten zum Ausdruck. Einige Erzählsplitter in der Serie sind von der literarischen Tradition Kataloniens inspiriert.

Künstlerische Umsetzung von Reflexion und Erinnerung in „A la recherche du temps perdu“

Die Einheit der Raumdarstellung ist in mehreren Aquarellen der Serie „A la recherche du temps perdu“ ähnlich wie im nächtlichen Traum aufgehoben: Abrupte Größen- und Perspektivwechsel sowie farblich changierende Räume bestimmen die Komposition der Figurenszenen und erzählen von den Brüchen zwischen Traum, Erinnerung und Wirklichkeit. So fordert Ruth Baumgarte mit jedem Werk ihrer 18-teiligen Folge „A la recherche du temps perdu“ die Phantasie und Assoziationskraft der Betrachter*innen heraus. 

Die „Figura serpentinata“ in Antike und Gegenwartskunst

Ruth Baumgarte trug mit ihrem Werk erheblich dazu bei, Motive, Themen und Kompositionsformen der klassischen Kunst in eine aktuelle, zeitgemäße Bildsprache zu übersetzen. Ihr eindrucksvolles Aquarellblatt „Relikte/Relikte I“ von 1987 ist ein anschauliches Beispiel dafür. In diesem Werk greift sie zum Stilmittel der klassischen „figura serpentinata“: Sie versetzt die menschliche Gestalt in ein fluides Raum-Zeit-Gefüge und verzahnt kunsthistorische und zeitgenössische Elemente eng miteinander.

Der Begriff „figura serpentinata“ stammt aus dem Lateinischen und wird wörtlich mit Schlangenlinie übersetzt. Er beschreibt eine menschliche Figur, die sich spiralförmig um eine zentrale Achse windet, so dass die unteren Gliedmaßen in eine Richtung und der Oberkörper fast in die entgegengesetzte Richtung zeigen. Zentrales Beispiel ist die antike Marmorgruppe mit Laokoon aus den Vatikanischen Museen. Seit ihrer Wiederentdeckung im Jahr 1516 hat die „Laokoon-Gruppe“ durch die „figura serpentinata“ in der zentralen Männerfigur tiefgreifende Auswirkungen auf das künstlerische Schaffen ab dem 16. Jahrhundert. Die Einflüsse sind bis heute in der Gegenwartskunst u. a. bei Anselm Kiefer, Horst Janssen und insbesondere bei Maria Lassnig sichtbar.

„Figura serpentinata“: Ein Motiv des Übergangs zwischen Leben und Tod

Im Zentrum von Ruth Baumgartes Werk „Relikte“ stehen zwei Figuren, ein Mann und eine Frau, die in einen Untergrund sinken, aus dem sie sich zu befreien suchen. Die männliche Gestalt streckt schmerzverzerrt eine verkrampfte Hand über die Wasserlinie und hält sich mit der anderen an einem langen Tuch fest. Neben ihm breitet die weibliche Gestalt ihre Arme weit aus und scheint sich dem Unweigerlichen hinzugeben. Ihr Mund steht offen, die Augen blicken starr nach oben. Wovor sind sie geflüchtet? Was bereitet ihnen Schmerzen?

Das Paar ist offensichtlich in einem qualvollen Transformationsprozess begriffen. Sie erscheinen nicht mehr menschlich, sondern vielmehr wie Fremdlinge in ihrer Haut. Rippen schimmern durch ihre muskulösen Gliedmaßen, die sich am Bildrand aufzulösen scheinen. Ähnlich wie sich die zentrale Figur der antiken Skulpturengruppe von Schlangen – daher der Name „figura serpentinata“ - zu befreien sucht, versucht sich der Mann in Baumgartes Werk von den langen Stoffbändern um seinen Körper zu entledigen. Die Stoffbänder erinnern an Schlingpflanzen oder Totentücher, in die Leichname gewickelt werden. Die sich windende Körperhaltung des Mannes knüpft deutlich an die zentrale „Figura serpentinata“ der berühmten Marmorgruppe an und macht so seinen Kampf zwischen Leben und Tod übersteigert sichtbar. Symbolisch überhöht geht das Motiv auf seit dem Nuklearunfall von Tschernobyl 1986 verstärkt bedrohliche, atomare Verseuchung der Flüsse und Meere ein, die am Bildrand durch einen Benzinkanister angedeutet ist.

Der Einfluss bewegter Künste und Ruth Baumgartes Einsatz gegenläufiger Serpentinata-Strukturen

Durch ihre familiären Wurzeln in Theater und Film war Ruth Baumgarte von den bewegten Künsten mit ihren Rollenspielen und Inszenierungen zeitlebens fasziniert. Theaterszenen verarbeitete sie schon in ihren Zeichnungen, als sie an der Berliner Hochschule für bildende Künste von 1941 bis 1944 studierte. In ihren ersten Portraits entwickelte sie zahlreiche Figurenvarianten mit Sitzenden, Liegenden oder Stehenden, die sie beim Aktzeichnen in der Akademie, aber auch abseits in ihrem privaten Umfeld genau beobachtete. Auffallend sind in ihrem Œuvre die häufigen Ganzkörperdarstellungen, die sie in außergewöhnlichen Perspektiven und nahezu filmischen Szenen darstellte. Schließlich führten die Studien die Malerin dazu, kompliziertere Ausdrucksformen wie die gegenläufige Serpentinata-Struktur in „Relikte“ einzusetzen, einem ihrer wichtigen Werke der Achtzigerjahre, und steigerte mit diesem Kunstgriff nochmals die Dramatik ihrer expressiven Körperdarstellung.

Die Handstudie in Ruth Baumgartes Werk

In ihrer Kunst war Ruth Baumgarte immer auf die scheinbar sichtbare Wirklichkeit ausgerichtet, doch wandte sie sich in ihrer figürlichen Gestaltungsweise auch früh dem innerlich Erlebten zu. Portraits von Menschen in ihrem privaten und alltäglichen Umfeld verband sie stets mit einer geschärften Beobachtungsgabe auf deren komplexe Innenwelt. Feder, Stift und Pinsel wurden der brillanten Zeichnerin grundlegende künstlerische Instrumente, um sich ihrer selbst und ihres Umfeldes zu vergewissern. 

Im Umfeld ihrer Körperstudien tauchen häufig Studien von Handhaltungen – Handstudien - auf, welche unterschiedliche Bewegungsformen einer Figur anhand der Darstellung von Handgesten oder aus der Körperbewegung entstandenen Gebärden skizzenhaft festhält.

Von der Handstudie zur autonomen Darstellung der Hand

Ab 1970 greift Ruth Baumgarte die Handstudie wiederholt auf, um Werke vorzubereiten, die gesellschaftspolitische und soziale Fragestellungen z. B. in Form von Protesthaltungen, einprägsam ins Bild setzen. Einzelne Handstudien dienen der Künstlerin als Vorstudien für Gemälde, Aquarelle oder Zeichnungen und sind ein Feld des Ausprobierens und Experimentierens. In ihrem Zeichenkonvolut sind neben Handstudien, Arm- und Fußstudien, Kopf- und Haarstudien überliefert. Setzte sie in ihren einfühlsamen Porträts meistens das enge Zusammenspiel von Kopf, Blick und Hand ins Bild, so lässt sie in ihren gesellschaftspolitischen Portraits die Hände bald eine eigenständige Bildrolle übernehmen. Die Handstudie entwickelt sich so zum autonomen Werk und die Hand zum eigenständigen, „sprechenden“ Körper. Hände werden zu gedrängten Formationen angeordnet, die sich wie ein Weckruf an die Gesellschaft interpretieren lassen.

In ihren Handstudien geht sie der Hand als expressivem Ausdrucksträger des Menschen nach. Im Zentrum stehen körperliche Gebärden, die sozusagen aus dem Handgelenk heraus einen wesentlich breiteren Aktionsraum umfassen, und eine zwischen Individuum und Gesellschaft verankerte Empfindungs- und Lebenswelt widerspiegeln. So betrachtet, nehmen ihre Handstudien eine herausragende leitmotivische Rolle bei der Bearbeitung von Bildthemen ein, die um Fragen der menschlichen Existenz kreisen.

Kinderbildnis und kindliche Lebenswelt

Kinderbildnisse haben in der bildenden Kunst eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. Die Gestaltungsweise von Portraits von Kindern hängt eng mit dem Wandel der jeweiligen Kultur- und Sozialgeschichte zusammen. Was zeichnet das moderne Kinderbildnis aus? Mit dem Aufkommen von Jean-Jacques Rousseaus revolutionärer Kindheitsphilosophie im 18. Jahrhundert und der Anerkennung der eigenständigen Persönlichkeit eines Kindes in der Reformpädagogik des 19. Jahrhunderts entwickeln sich auch neue Sujets in der Portraitkunst. Künstler*innen tauchen in die eigenständige Lebenswelt von Kindern ein und vermitteln in Portraits deren spezifische Lebenswelt. Es ist bemerkenswert, dass in Ruth Baumgartes Werk über 80 autonome Kinderbildnisse und über 300 Kinderdarstellungen überliefert sind, die teilweise durch Portraitaufträge entstanden sind. Insbesondere spielenden Kindern widmete sie ihre fortdauernde Aufmerksamkeit. 

Einfühlsame Portraitkunst

Obwohl Ruth Baumgarte auch Stillleben und Landschaftsbilder schuf, stand doch der Mensch und sein Bildnis in allen Formen und Facetten im Mittelpunkt ihres Œuvres. Mit ihrem sensiblen Gespür für verborgene Entwicklungen in der Gesellschaft hielt sie die sich verändernden emotionalen und psychischen Stimmungen fest und richtete ihren Blick dabei immer wieder auf die Jüngsten, auf die Kinder.

Von den Vierziger- bis in die Sechzigerjahre fertigte sie zahlreiche Kinderbildnisse an, porträtierte ihre eigenen Kinder vom Säuglingsalter bis zum Erwachsenenalter und Kinder in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Mit frühen Porträtaufträgen, darunter zahlreiche Kinderbildnisse, bestritt sie den Lebensunterhalt ihrer Familie kurz nach 1945. In ihren Kinderbildnissen dokumentierte sie liebevoll das selbstvergessene Spiel der Heranwachsenden, porträtierte sie beim Lesen, Essen oder Schlafen. In den zartumrissenen Gesichtszügen spiegelt sich der emphatische Blick einer Künstlerin und Mutter wider, der im jeweiligen Habitus des Kindes dessen individuellen Charakter erschloss. 

Epochenportrait der Jugend

In ihren auftragsbezogenen Kinderbildnissen konzentriert sich die Künstlerin oft auf Gesicht und Brustbild des Kindes allein und stellte es isoliert vor einen abstrakten Farbhintergrund. Bildnisse mit selbstgewählten Kindermodellen dagegen erzählen die in den Gesichtern aufleuchtende Zeitgeschichte und vermitteln erdrückende Lebensverhältnisse wie ihre ausdrucksstarke Reihe von Kinderbildnissen während der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Malerin verwebte ihre Kinderbildnisse auch zu einem vielschichtigen Symbolteppich und verlieh dem Portrait, inspiriert von der Renaissancemalerei, durch Architektur-, Blumen-, Frucht- oder Tierelemente eine übergeordnete inhaltliche Bedeutung. Ruth Baumgartes Kinderbildnisse führen somit facettenreich an die Welt der Jüngsten heran und steigern sich in machen Lebensabschnitten auch zum Epochenporträt der Jugend während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit. Ihre Portraits tragen so entscheidend zur Kunstgeschichte des Kinderbildnisses im 20. Jahrhundert bei.

Lesende in der Kunst

Lesende changieren zwischen der realen Welt und der Welt des Textes. Die geheimnisvolle Pose von Lesenden hat Künstler*innen schon immer fasziniert und dazu angeregt, die Leseerfahrungen in ein visuelles Erlebnis zu übersetzen und zu deuten. Frauen, die über ein Buch gebeugt sind oder sich mit einem Buch in den Händen bequem zurücklehnen, gehören zu den beliebtesten Motiven der Malerei. Schon die Jungfrau Maria wird beim Ereignis der Verkündigung stets mit einem Buch gezeigt, das die Reinheit ihrer Gedanken verkündet. Aber auch später wurden Frauen immer gerne mit Büchern porträtiert.

Ruth Baumgarte hat in ihrem weitgespannten Œuvre zahlreiche lesende Frauen dargestellt, doch auch männliche Lesende zählen zu ihrem festen Motivrepertoire. In den Lesenden und ihrem inneren Zwiegespräch mit dem Buch erkundete sie eine unsichtbare Welt, die mit künstlerischen Mitteln eigentlich schwer darstellbar ist.  

Lesende Kinder: Ein Beispiel

In ihren Arbeiten wendet sich Ruth Baumgarte immer wieder lesenden Kindern zu und portraitiert diese in ihrem selbstversunkenen Tun. Motive aus ihrem familiären Umfeld sind geeignet, sich ihren Modellen behutsam zu nähern, wie bspw. Didi, dem Ziehsohn ihrer Tante. In ihrem bis dahin größten Portrait in Aquarell, „Lesender Knabe mit Affe“ von 1947, erfasst sie meisterhaft die innere Welt des lesenden Didi und erfindet spezifische Mittel, das stille, schwer zu fassende Zwiegespräch zwischen Lesendem und Buch herauszuarbeiten. Die glühenden Wangen des Jungen verraten, dass er tief in seiner Lektüre versunken ist. Schattierungen von Rot- und Grüntönen verleihen der Szene eine pulsierende Intensität. Besonders der mit dem Pinsel watteartig gesetzte Hintergrund umfängt den halbnackten Körper wie eine warme Decke. Die Künstlerin hebt durch die intime Raumgestaltung nicht nur die Zerbrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit des Porträtierten einfühlsam hervor, sondern macht durch den expressiven Farbraum in Rot und Grün auch das konzentrierte Lesen und Nachsinnen des Heranwachsenden sichtbar.

Dass das Lesen alle Generationen von Jung bis Alt umfasst, zeigt sich in weiteren Zeichnungen ihres privaten Umfeldes und auf der Reise. Das typische Motiv der lesenden Frau findet sich dann eher in ihrem illustratorischen Werk ab 1949, als sie zur gefragten Illustratorin in der Buch- und Zeitungsbranche wurde und die Tageszeitung „Freie Presse“ und die Wochenzeitschrift „Das Magazin der Hausfrau“ mit zahlreichen Illustrationen belieferte. Ruth Baumgarte war selbst eine versierte Lesende, was sich nicht zuletzt in einigen Bildtiteln ihrer Werke niederschlug. Und sie erkannte, dass Buch und Leser Kristallisationspunkte sind, deren Darstellungen eine gemeinsame Humanität vor Augen führen, die Kulturen und Epochen verbindet.

Kunst und Melancholie

Melancholie ist eine Gemütsverfassung, die den Menschen in eine in sich gekehrte verhaltene, nachdenkliche bis schwermütige Stimmung versetzt. Gleichzeitig wird Melancholie als wesentliche Triebfeder der Kunst verstanden. Künstler und Menschen mit kreativen Talenten, so wurde argumentiert, haben ein tiefes Verständnis der Welt, was häufig mit einem melancholischen und nachdenklichen Gemüt verbunden ist. 

Wie sind Figuren zu verstehen, die in Ruth Baumgartes Werken eine melancholische Haltung einnehmen, wie zum Beispiel in ihrer Zeichnung „Leben“ von um 1950? Hier fällt der Blick auf das Brustbild einer überdimensionalen Frauenfigur, die inmitten diverser Konstellationen kleinerer Figurengruppen sitzt. Aspekte wie die irreale Bildkomposition, die Übergröße und spezifische Körperhaltung der Frauenfigur lassen vermuten, dass hier ein Sinnbild, eine Allegorie, verkörpert wird: die der Idee der „Melancholie“?  

Ruth Baumgarte hat schon öfter mit Motiven, Themen und Kompositionsformen der klassischen Kunst in ihrem Werk gespielt und diese in eine aktuelle, zeitgemäße Bildsprache übersetzt. Mit dieser Zeichnung entwarf sie eine eigenständige Sicht auf das Thema der Melancholie und dachte über ihr eigenes Spannungsfeld zwischen Berufstätigkeit und freiem Künstlerinnendasein nach. Zu dieser Zeit machte sie sich als Künstlerin einen Namen und war als Grafikerin in der Buch- und Zeitungspresse erfolgreich. Durch ihre Aufträge kam sie für den Lebensunterhalt mehrerer Menschen in einer engen Wohnung auf. 

Ihre Figur hat wie andere Darstellungen der Melancholie (bspw. bei Albrecht Dürer, Caspar David Friedrich oder Edvard Munch) den Kopf in die Hand gestützt und sieht zur Seite. In ihrer nachdenklichen Haltung reflektiert sie ihr Umfeld, das rege Figurenkarussell, das nur von Frauen angetrieben wird. Die zahlreichen Szenen formieren eine Art „Lebensrad“, das Frauen in Rollen zeigt, die sie in der Gesellschaft zu erfüllen hatten: Kranke pflegen, servieren, nähen, bügeln, den Garten bepflanzen, musizieren, tanzen, als Mutter agieren und – um 1950 für Frauen noch nicht selbstverständlich – Auto fahren. Am unteren rechten Bildrand, gewissermaßen als Beobachterin am Bühnenrand, stellt sich Ruth Baumgarte mit Tuschfeder und Papier nicht nur als berufstätige Künstlerin dar, sondern auch als die Schöpferin des vor uns liegenden Werks.

Hellsichtig und noch vor der Zeit der erfolgreichen Frauenbewegung um 1968 erinnert Ruth Baumgarte mit dieser szenisch raffiniert komponierten Tuschzeichnung um das Thema Melancholie an die tragende Rolle der berufstätigen Frau in der Gesellschaft und zugleich an die wesentliche Triebfeder der Inspiration für die Kunst, die, so Schopenhauer, durch die besondere Gemütsstimmung der Melancholie entsteht.

Selbstbildnis im Spiegel der Portraitkunst

Der Mensch und sein Antlitz beschäftigten Ruth Baumgarte während ihres gesamten Schaffens. Schon früh entdeckte sie das Porträt als ideale Bildgattung, um ein differenziertes Bild von sich und anderen Menschen zu gewinnen. Insgesamt, so bemerkt die Künstlerin in den Achtzigerjahren, fertigte sie über 800 Bildnisse an. Eine Sonderform bilden ihre Selbstportraits, die sie in loser Folge während ihres sieben Dekaden währenden Schaffens anfertigte, um bedeutende Übergangs- und Umbruchphasen ihres Lebens und Arbeitens zu reflektieren. 

Stationen des Selbstportraits von 1940 bis 2011

Ihr frühestes erhaltene Selbstportrait ist eine Kreidezeichnung von um 1940, in der sie die charakteristischen Eigenheiten ihres Gesichts durch genaue Selbstbeobachtung herausgearbeitet hat. Mit leicht gedrehtem Kopf, dem sachte geöffneten Mund und dem schwarz hervorgehobenen Auge blickt sie ihr Gegenüber zielsicher an. Alle ihre Sinne, so die Botschaft des Porträts, sind der Welt offen und zugleich mit verhaltener Energie zugewandt. Die Sicherheit in der Linienführung und die anatomisch richtigen Gesichtsproportionen sprechen dafür, dass die junge Ruth bereits Zeichenunterricht erhalten hatte. Ihre Mutter sorgte dafür, dass sie mit 15 Jahren die Private Kunstschule des Westens von Emmy Stalmann in der Berliner Kantstraße besuchte; von dort wechselte sie 1941 zur Staatlichen Hochschule der bildenden Künste. Das Zeichnen wird fortan zum wichtigsten Medium ihrer künstlerischen Karriere und das genaue Beobachten zu einem der wichtigsten Wege der Vergewisserung ihrer selbst und des Umfeldes werden. 

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit markiert ihr bohemeartiges "Frühes Selbstbildnis" in der Königsdisziplin der Ölmalerei das Bekenntnis, dass sie sich als Teil der westlichen Moderne versteht und sich selbstbewusst in die bedeutende - bisher vorwiegend männlich dominierte - Tradition von Künstlerportraits im Atelier einreiht. In ihrem Selbstportrait stellt sie sich mit den Insignien der Malerei dem Gegenüber raumfüllend entgegen. Im Hintergrund ist eine aufgespannte Leine mit Spielpuppen zu erkennen. Über die damit gesetzte Bilddiagonale verschränkt die Künstlerin ihre im Spielzeug angezeigte neue Rolle als Mutter (seit 1947) virtuos mit ihrem Metier als emporstrebende Malerin und macht in ihrem Selbstportrait auf dynamische Weise deutlich, dass sie bereit ist, in beiden Bereichen anzutreten.

Ihr vorletztes Selbstportrait von 1979 offenbart, dass sich die Malerin an einem weiteren bedeutenden Wendepunkt ihres Lebens befindet. Angekleidet in Hemdbluse und Weste steht sie nah vor uns und richtet ihren Blick fest und zugleich abwartend auf ihr Leben. Ihre vom unteren Bildrand angeschnittene Hand hat sie zur Begrüßung oder zum Abschied erhoben. Ihre andere Hand umfasst den Pfosten einer offenen Tür. Im Hintergrund deutet sie skizzenhaft eine Großstadtkulisse in Blau- und Gelbtönen an, vermutlich die Metropole Berlin, die ihr früherer Lebensmittelpunkt war, und die sie für sich in gelebter Erinnerung zu konservieren versucht. 

Ihre mehrdeutige Gebärde macht auf die tiefen Einschnitte aufmerksam, die die Künstlerin in diesem Selbstportrait reflektiert. Bedingt durch vorangegangene gravierende Schicksalsschläge in ihrem persönlichen Umfeld sieht sie innerlich ihr bisheriges Leben zwischen Erinnerung und Gegenwart, zwischen Berlin und dem Irgendwo im Nirgendwo vorbeiziehen. Mit der erhobenen Hand macht sie deutlich, dass sie sich an der Schwelle sieht, ihr Leben zu hinterfragen, sich von gelebten Strukturen zu befreien und ins „Offene“, Ungewisse, zu gehen. Ganz dem Motto folgend: Wende Dein Gesicht der Sonne zu, so fallen die Schatten hinter Dich. 

Die Künstlerin hat sich kurz vor ihrem Tod nochmals porträtiert. In ihrem letzten Selbstportrait von um 2011 entschied sich für ein Brustbild, das in der Drehung der Ansicht eine innere Bewegung vermittelt. Mit feinen Kreidestrichen umreißt sie knapp und ohne Beschönigung ihre gealterten Gesichtszüge. Unklare Umrisslinien am Kinn- und Kopfbereich deuten darauf hin, dass sich die Gestalt in einem Übergangszustand befindet und manche Partien gar im Verschwinden begriffen sind. Die Augen sind in sich versunken und scheinen nicht mehr auf eine Zukunft gerichtet. Und doch lenkt die Zeichnerin unseren Blick bewusst auf ihre Augen und die helle Stirnpartie, um das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Geist, Sehen und Reflexion in ihrem Selbstportrait hervorzuheben.

Künstlerinnen und ihre Selbstportraits

In ihren 18 Selbstportraits zwischen 1940 und 2011 setzte Ruth Baumgarte eine Vielfalt von Techniken -Öl, Aquarell, Kreide, Kohle, Rötel, Bister und Tuschfeder – ein und schuf so ihre eigene variantenreiche Kunstgeschichte des weiblichen Selbstportraits. Dabei fügt sie sich ganz selbstverständlich in die Tradition des weiblichen Selbstbildnisses ein, die sich mit Käthe Kollwitz, Paula Modersohn-Becker, Frida Kahlo oder Maria Lassnig immer stärker behaupten sollte.

Seit Jahrhunderten lebten Sinti und Roma in Deutschland und Europa, oft wurden sie verfolgt und diskriminiert. Dennoch haben die Sinti und Roma die Ikonografie der europäischen Kunst und Kultur vom 15. Jahrhundert bis heute erheblich beeinflusst, wie die folgende Bildbetrachtung beispielhaft zeigt. Die Kreidezeichnung „Zigeuner im Regen“ nimmt wie auch die frühe Tuschzeichnung „Arbeiter auf dem Dach“ einen besonderen Platz in Ruth Baumgartes künstlerischem Frühwerk ein. Der brisante Inhalt des Werks wurde lange übersehen. Erst die Forschungen von Historiker- und Wissenschaftlerkreisen in Berlin sowie den Forschenden der Kunststiftung Ruth Baumgarte haben die Verbindung von Ruth Baumgarte zum Schicksal der Sinti und Roma während der 1940er-Jahre in Berlin aufgedeckt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck „Zigeuner“ im Bildtitel aus einem historischen Verständnis stammt, das das Leben der angeblich wilden und freien Zigeuner romantisierte. Der Begriff gilt heute als veraltet, vorbelastet und diskriminierend. Die systemkritische Aussage des künstlerischen Werks zum Thema Sinti und Roma wird damit nicht eingeschränkt.

Künstlerisches Arbeiten abseits des Akademieunterrichts

Während ihres Studiums an der Hochschule für bildende Künste in Berlin von 1941 bis 1944 lernte die junge Ruth in der Grafikklasse von Gerhard Ulrich das genaue Zeichnen von Figurenszenen und die Handlung von Theaterstücken in das Medium der Zeichnung zu übersetzen. Im Unterricht von Wilhelm Tank wird sie in das Körper- und Anatomiestudium und Bewegungsabläufe eingeführt und in seinem Unterricht angeregt, Motive außerhalb des Ateliers auf der Straße zu suchen. Zweifellos profitierte die Künstlerin in ihren Bewegungsbildern auch von ihren Erfahrungen als stetige freie Mitarbeiterin in den Berliner Zeichenfilmateliers von Wolfgang Kaskeline. Der jüdische Künstler und Regisseur, der nur mit einer Sondergenehmigung produzieren durfte, galt als deutscher Walt Disney der Animationsbranche. 

Diese Zeichnung ragt aus ihrem Werk heraus, da die Kunststudentin keine spezifische erzählerische Vorlage aus einem Theaterstück oder einer Erzählung verwendete, sondern das Thema, die detaillierte zeichnerische Ausführung und die szenische Zuspitzung selbst erdachte. In einer Studie in Tuschfeder von um 1942 skizzierte sie das Thema pointiert vorab. Im Mittelpunkt der Szene sind zwei davonlaufende Musiker der Sinti und Roma mit aufgespanntem Regenschirm zu sehen, den Titel „Zigeuner im Regen“ notierte sie unter das Motiv. Während man auf dieser kleinen Skizze noch den Eindruck erhält, die beiden Männer fliehen nur aufgrund des Wetters davon, um sich selbst, das mitgeführte Violoncello und die Geige im Kasten vor einem einsetzenden Platzregen zu schützen, setzt sie die Szenerie in einer größeren und in Kreide ausgeführten Zeichnung zu weiteren entscheidenden Bildelementen in Bezug. Forschungen haben ergeben, dass Ruth Baumgarte mit diesem Motiv eine Begebenheit wiedergibt, die sie aus eigener Anschauung der Sinti und Roma reflektiert haben muss. Martin Fenner führt dazu genauer aus: „In dieser Darstellung wird deutlich, dass es nicht der Regen ist, vor dem die Musiker Schutz suchen. Obwohl die Turmuhr (am oberen Bildrand) nicht „fünf vor zwölf“ zeigt, lassen die dargestellten Gleise und Barrieren, die die Musiker überqueren müssen, und die rechts im Bild befindliche Baracke Assoziationen auf die durch die Nationalsozialisten durchgeführten Deportationen der Sinti und Roma zu. Ein fatalistisches Stillleben aus einer leeren Flasche und einem umgekippten Topf gibt die Leserichtung der gewittrig-düsteren Szenerie vor“ (Ausst.-Kat. Ruth Baumgarte. Herkunft/Prägung/Zäsuren, Kulturhaus Karlshorst, Berlin 2017, S. 18-19).

Der wirklichkeitsnah wiedergegebene (heute umgestaltete) Bahnhof Wuhlheide mit seiner charakteristischen Turmuhr in Berlin-Karlshorst, dessen Gleise heute noch bestehen, war der Durchgangsbahnhof für Deportationszüge in den Osten. Ein Polizeilager für andere Gefangene befand sich in der Nähe. Der Wohnort der Künstlerin, Karlshorst, an dem sie von 1935 bis 1945 mit ihrer Mutter lebte, lag zudem in der Nähe der Laubenkolonie Wiesengrund, die in den Dreißigerjahren und frühen Vierzigerjahren nachweislich Familien der Sinti und Roma beherbergte. Es ist zu vermuten, dass die Künstlerin dort bei ihren Fahrradfahrten durch das Viertel die Sinti und Roma in ihren Wagenburgen nicht nur beobachtete, sondern mit ihnen trotz strikter Verbote des NS-Regimes im Verborgenen Kontakt hatte. Als die Zeichnung entstand, wurden Sinti und Roma systematisch ins sogenannte „Zigeunerlager“ in Berlin-Marzahn, das sich etwa 20km nördlich von ihrem Wohnort befand, eingewiesen, deportiert und gefangen gehalten. Das Lager wurde bis zum 1. März 1943 aufgelöst und dessen Internierte Sinti und Roma ins Konzentrationslager Ausschwitz abtransportiert. Die Gedenkstätte in Berlin-Marzahn widmet sich dem Andenken der Ermordeten der Sinti und Roma und wird heute von Petra Rosenberg, Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, geleitet.

Die Zeichnung kann aufgrund des beschriebenen Kontexts nicht im Rahmen des akademischen Unterrichts an der Hochschule entstanden sein, da der Inhalt politisch zu brisant war. Nicht nur die sympathisierende Darstellung von ausgegrenzten Gruppen des Nazi-Regimes, zu denen die Sinti und Roma gehörten, war verboten; per Erlass des Reichsministeriums des Inneren war auch die fotografische oder zeichnerische Darstellung von Autobahnen, Wasserstraßen und Eisenbahnlinien untersagt. Diese bedurften der schriftlichen Genehmigung. Bei Zuwiderhandlung drohte eine Strafe von sechs Wochen Haft.

„Nicht-Orte“ und „Ausgegrenzte“ in Ruth Baumgartes Werk

Es ist auffallend, dass die 19-jährige Zeichnerin schon früh ein sensibles Gespür für Rand- und Grenzgebiete in Natur und Stadt, sogenannte „Nicht-Orte“ der industrialisierten Moderne, entwickelte. Damit reagierte die angehende Künstlerin in ihren Motiven auf den tiefgreifenden Wandel des städtischen Raums im 20. Jahrhundert. Charakteristisch für diese Nicht-Orte ist, dass sie weder Geschichte noch Identität besitzen, sondern Einsamkeit und Anonymität schaffen, so der französische Anthropologe Marc Augé. Dazu zählen in Baumgartes Werk Darstellungen von Bahnhöfen und Gleisanlagen, Holzschuppen und immer wieder Signalanlagen und Hochspannungsleitungen. Ein Schuppen, Bahngleise und ein Strommast sind in der erwähnten Zeichnung deutlich als Ausdrucksträger des abseitigen Nicht-Ortes, der zum Niemandsort der flüchtenden Sinti und Roma wurde, in der rechten Bildhälfte zu erkennen. Auch der wuchernde, wie Gedärme aussehende Pilzbewuchs am Grenzzaun, den die Fliehenden gerade passieren, weist auf den unheilvollen Ort hin.

Die weltläufige Metropole Berlin bot der angehenden Künstlerin nicht nur einen Lernort der Kunst, sondern offenbarte ihr auf den täglichen S-Bahnfahrten von Karlshorst ins Stadtzentrum zur Hochschule im Stadtteil Charlottenburg ein kontrastreiches wie unerschöpfliches Panorama der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse, gewissermaßen eine „Sehschule“ der sozialen Gegenwart. Die realistische Figurendarstellung der Sinti und Roma im Werk erscheint in diesem Zusammenhang wie ein genau beobachtetes Zeitporträt der Verfolgten vor dem Genozid. Schon in ihren ersten Aktzeichnungen während ihrer Studienzeit gab die Zeichnerin keine idealisierten Körper wieder, sondern orientierte sich an der Wirklichkeit, zeigte ausgezehrte Gesichter mit eingefallenen Wangen und gekrümmte angespannte Körperhaltungen von weiblichen und männlichen Aktmodellen. 

Auch außerhalb Berlins wurde sie mit politisch und rassisch Verfolgten der Nazi-Diktatur wie den Sinti und Roma konfrontiert. Bei einem Aufenthalt im Riesengebirge beobachtete sie die Zwangsdeportation jüdischer Mädchen, die sie tief erschütterte. Laut Erinnerungen ihres Sohns Alexander Baumgarte war die junge Ruth über das Tun der „Judenfänger“ orientiert. Wie sie mit der Zeit der Gräuel des Zweiten Weltkrieges umging, beschreibt der renommierte Kulturhistoriker Helmut Lethen in seinem Beitrag im Werkverzeichnis: „Aufgeben gab es für Ruth Baumgarte nicht. In dieser Atmosphäre entstand die Gewissheit für die junge Frau, dass sich die Intensität ihres Lebens nur in der Distanz von ihrem Umfeld verwirklichen würde. Nur so konnte sie traumatische Erlebnisse in der Kapsel des Schweigens bewahren“ (Bd. I, München 2022, S. 26). Für das Leiden und die innere Zerrissenheit anderer Menschen war sie fortan, wie auch ihre Tagebucheinträge um 1944/46 verdeutlichen, höchst sensibilisiert. Sie entwickelte ein Distanzgefühl zur Welt, das sie zur genauen Beobachterin ihrer Zeit werden ließ. 

Ruth Baumgartes soziales Interesse an den Sinti und Roma teilte sie auch mit anderen Persönlichkeiten ihres geistig-literarischen Umfeldes. Durch ihre familiären Wurzeln war sie von der Theater- und Filmwelt fasziniert. Seit ihrer Kindheit und Jugendzeit pflegte sie enge Kontakte mit der musikalischen und literarischen Geisteswelt. Zu ihren Freundschaften zählte der spätere Komponist und Musikdirektor Heinz Struve (1925−2015), der 2013 seine Lebenserinnerungen in der Autobiografie „Im Dschungel – zwischen Nazis und Stalinisten“ herausgab. Darin erwähnt er eine Erinnerung an seine erste Begegnung mit Sinti und Roma, die „wohl als Reklame für ihren Zirkus auf Stelzen“ an seinem Haus vorbeizogen (Frankfurt/M., 2013, S. 37), ein Erlebnis, das er mit der jungen Ruth teilte, die später wiederholt davon berichtete. Auch mit dem Schriftsteller und Maler Hans Scholz (1911−1988), einer ihrer Dozenten an der Privaten Kunstschule des Westens, war sie eng vertraut. Wie atmosphärische Reminiszenzen an ihre lebenslange Freundschaft mögen die Darstellungen der Künstlerin in ihren Illustrationen in den Fünfzigerjahren anmuten, die eine szenisch vergleichbare Entsprechung mit Motiven der Verfilmung seines 1955 erschienenen Romans „Am grünen Strand der Spree“ zeigen. In Scholz‘ Roman ist auffallend, dass der Autor mehrmals auf das Leben der Künstlerin anzuspielen scheint. Darauf verweisen eine Reihe namentlicher Referenzen. Etwa die Romanfiguren „Ruth Ester Loria“ oder auch „Busse“, der Name von Ruth Baumgartes ersten Ehemannes, legen nahe, dass die beiden Künstler eng miteinander verbunden waren und auf gemeinsame Erlebnisse zurückblicken konnten. Schließlich, so betonte Scholz in einem Interview, habe er sich in seinem Buch nichts ausgedacht und alles selbst erlebt (siehe auch Werkverzeichnis Ruth Baumgarte, Bd. III, S. 118). In der Serie des 1960 verfilmten Bestsellers wird erstmals ein Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in der von den Deutschen besetzten Sowjetunion gezeigt. Die Ausstrahlung wurde von Forschern als „Bruch des kollektiven Schweigens“ eingestuft. Hans Scholz war 1963−1976 neben Heinz Ohff Chef des Feuilletons des Berliner „Tagesspiegel“ und von 1963−1988 Mitglied der Berliner Akademie der Künste.

Über ihre Verbindung zu den Familien der Sinti und Roma ist von der Künstlerin selbst wenig überliefert. Aus der dargestellten, nachhaltigen Begegnung mit den Musikern, aber auch mit Sicherheit aus Gründen einer noch jugendlich-verklärten Sicht auf diese als Sinnbild freiheitlicher Lebensform der Sinti und Roma, sollte sich Ruth Baumgarte mit Angehörigen der Sinti und Roma und anderen Menschen, die nicht zur bürgerlich lebenden Gesellschaft gehörten, zeitlebens solidarisieren.

Erinnerung an Ruth Baumgarte und ihr Werk zu den Sinti und Roma

Die Künstlerin Ruth Baumgarte wurde an ihrem früheren Wohnort, der Rheingoldstraße 32 in Berlin-Karlshorst, für ihre systemkritische künstlerische Verarbeitung der rassisch, religiös und politisch motivierten Verbrechen während des Nationalsozialismus, zu denen die Verfolgung der Sinti und Roma gehörten, mit einer Gedenkstele geehrt. Diese wurde im Jahr 2020 an dem Ort errichtet, an dem Ruth Baumgarte zusammen mit ihrer Mutter während ihrer Ausbildungs- und Studienzeit an der Hochschule für bildende Künste von 1938 bis 1945 bis zum Einmarsch der Sowjettruppen und der letzten Kämpfe in der Rheingoldstraße 32 lebte. 

Eine künstlerisch getreue, 1:1 große Kopie der Darstellung der Sinti und Roma „Zigeuner im Regen“ befindet sich seit 2021 in der Dauerausstellung des Museum Lichtenberg in Berlin-Lichtenberg.

Das Vanitasmotiv in Ruth Baumgartes Œuvre: Ein Parcours

Was versteht man unter Vanitas? Der Begriff stammt aus der lateinischen Sprache und kommt im Alten Testament vor: „Vanitas vanitatum, et omnia vanitas“, und heißt in etwa: „Alles ist leerer Schein bzw. Eitelkeit“. „Eitel“ ist mit „wertlos“ oder „vergänglich“ gleichzusetzen. Vanitas-Symbole stellen Motive der Vergänglichkeit in der Kunst dar, die als Mahnung und Erinnerung an den eigenen Tod begriffen werden. Seit ihrer verstärkten Verwendung in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts, insbesondere in der Stilllebenmalerei, üben sie bis heute auf Künstler*innen eine ungebrochene Faszination aus. Seitdem finden sie immer wieder Eingang ins künstlerische Schaffen, so auch bei Ruth Baumgarte, die dem Thema in zahlreichen Facetten nachging und überraschend viele der typischen Vanitas-Motive durchgängig in ihrem Werk von den Vierziger- bis in die Neunzigerjahre verwendete. Zur Gruppe traditioneller Vanitas-Symbole zählen bei ihr u. a. Grab bzw. Friedhof, Ruinenarchitektur, Eisschollen und Stilllebenelemente wie das Buch und, sehr häufig eingesetzt, die erloschene Kerze. Sie erfindet zudem neue Vanitas-Symbole, die unübersehbare Zeichen einer antihumanen Zivilisationsgesellschaft sind, wie alte oder verendende Tiere, zerbrochenes Geschirr, versehrte Spielpuppen oder Schrottautos.

In einem Parcours durch Ruth Baumgartes Œuvre werden nun die unterschiedlichen Verwendungen von Vanitas-Symbolen in zentralen Werken aufgezeigt.

Von den späten Vierziger- bis in die frühen Siebzigerjahre zählt das Stilllebengenre, das traditionell zum Ideenumfeld der Vanitas zählt, zum wiederkehrenden Repertoire im Werk von Ruth Baumgarte. Insgesamt entstehen über 16 Arbeiten, vorwiegend in Aquarell. Ihr „Stillleben mit Kaffeetasse“ von 1956 ist ein anschauliches Beispiel, wie die Künstlerin die Endlichkeit und Unendlichkeit des irdischen Daseins gleichermaßen thematisiert. Die Chrysantheme, beliebtes Blumenmotiv der impressionistischen Malerei, nimmt hier den Mittelpunkt des Stilllebens ein. Die fein geschwungenen Blüten der asiatischen Blume bilden mit dem blau-weißen Teegeschirr und dem zartblau gemusterten Vorhang, der auf der linken Seite den Raum abgrenzt, ein harmonisches Ensemble. Während Blumenschmuck und Porzellan die Weltläufigkeit des Haushalts andeuten, weisen der Krug mit Zinndeckel, das rot gestreifte Küchentuch auf dem Tisch auf dessen Bodenständigkeit hin. Die erloschene Kerze im Messingständer und das aufgeschlagene Buch zeigen die Vergänglichkeit der irdischen Freuden, des Wissens und Strebens auf und stellen traditionelle Vanitas-Motive dar.

Vanitas-Motive Ruine und Friedhof

Werke mit offensichtlich religiösen Motiven sind selten in Ruth Baumgartes Œuvre zu finden. Das großformatige Aquarellblatt von 1969, „Kirche in der Grafschaft Killarney (Kirche in der Grafschaft Cork)“, umkreist mit zahlreichen Motivelementen den Todesaspekt und damit das Thema Vanitas.

Die mannshohen, seitlich umgeknickten Grabsteine geben den Blick auf zwei Kirchengebäude frei, in denen sich schon die Natur eingenistet hat. Während grün belaubte Bäume darauf hindeuten, dass es Sommer ist, offenbaren kahle Bäume das Natursterben. Auch der Friedhof erscheint verlassen und dem Verfall preisgegeben. Die dunkle Farbigkeit in Rostrot-, Blau- und Grautönen verstärkt die düstere Atmosphäre. Allein im Turmbereich leuchtet ein helles Farbspektrum von zarten Rot- bis Gelbtönen als hoffnungsvolles Gegengewicht auf. 

Das von der Künstlerin ausgewählte Motiv der Kirchenruine ist fest in der Tradition der Vanitas-Symbole und der deutschen Romantik um 1800, u. a. eines Caspar David Friedrich, verankert. Die Natur wurde erstmals zum Spiegel der eigenen Grundstimmung erhoben und die Ruine zum idealen Abbild für die Vergänglichkeit und Endlichkeit des Lebens. Ruth Baumgarte greift in diesem Blatt die spezielle Nass-in-Nass-Technik der Aquarellmalerei wieder auf, um das Vergehen des Lebens (Vanitas) auch maltechnisch auszudrücken. Das atmosphärisch dichte Aquarell spielt symbolhaft auf den Tod der Mutter Margarethe Kellner-Conrady an, die im August 1969 überraschend verstarb.

Ereignisse des Seelischen: Winterlandschaft und Kreatur

Kristalline Winterlandschaften und Stillleben, die Ruth Baumgarte ab den Siebzigerjahren schuf, stellen in ihrem Werk keine realen Szenen dar, sondern verkörpern Ereignisse des Seelischen. Es sind sinnbildliche Darstellungen der Vanitas (Vergänglichkeit) und des Todes.

Das Sujet der Winterlandschaft weist ebenfalls auf das Thema Vanitas hin und beschäftigte Ruth Baumgarte seit den Vierzigerjahren, bis sie es, scheinbar unvermittelt, in den Siebziger- und Achtzigerjahren wieder aufgreift. 

Das Aquarell „Später Winter“ von 1975 stellt einen Wendepunkt in Ruth Baumgartes Œuvre dar. Die Dominanz rationalen, wirtschaftlichen Denkens erhält in der Bundesrepublik Deutschland ab 1970 erste Risse. Ruth Baumgarte reagiert auf die Veränderungen. Ihre Darstellungen entfernen sich von realistischen Darstellungen hin zu sinnhaft gesteigerten Bildkompositionen. Sie setzt nun die Aquarellmalerei ein, um die neue "Eiszeit", die die Künstlerin in ihrem privaten und öffentlichen Umfeld erlebt, durch glasartige Bildgründe auszudrücken. Das Knirschen der Eisoberfläche, ein weiteres Vanitas-Motiv, meint man in der Betrachtung des Werks „Später Winter“ förmlich zu hören. Die Kreatur, sei sie Mensch, Tier oder Pflanze, steht wie die zentral dargestellte Katze auf unsicherem Boden und muss sich gegenüber den unwägbaren Elementen der Natur behaupten. Durch die bewusste Verschiebung der Größenverhältnisse von Tier und Natur lud Ruth Baumgarte die kreatürliche Szene symbolhaft auf und schuf mit der Eislandschaft ein eindrückliches Symbol der Vergänglichkeit (Vanitas).

Seelenlandschaften: Vanitas-Motive als Sinnbild

Auch ihre Folge „Wintertod“ ist mit dem Fokus auf Winterszenen als Sinnbild der "Eiszeit" zu verstehen. Beispielhaft für die Serie ist das erste Werk, das eine Seelenlandschaft über den Kreislauf von Leben und Sterben entwirft. Das Bildzentrum nimmt eine hingesunkene Gestalt ein, deren überdimensioniert dargestellter Kopf erstarrt im Schnee liegt, während ihr Körper der Wasserlauf verschluckt hat. Die im Gegensatz zur nahen Baumreihe sehr großen Hände scheinen sich noch am Gras der gegenüberliegenden Böschung festzuhalten, aber die Figur ist bereits Teil einer sich bis zum Horizont ausdehnenden Landschaft geworden, in der sich feste Konturen und Umrisse aufgelöst haben. Im nebligen Dunst tauchen im Hintergrund schemenhaft schneebedeckte Bauernhäuser auf, die auf den Norden Deutschlands hindeuten.

Die bewusste Verschiebung der körperlichen Proportionen und die Verschmelzung von Mensch und Landschaft wirken surreal. Glasartige Bildgründe bilden fahle, unruhige Flächen in Violett, Blau und Rot, die den Übergang in den Tod (Vanitas) darstellen. Die fließenden Bildgründe in der Nass-in-Nass-Technik reflektieren den transitorischen Zustand der Porträtierten auf der maltechnischen Ebene. Das Motiv hat Ruth Baumgarte anlässlich des Todes ihrer Tante Anna-Marie Schubert auf dem Sterbebett 1976 skizziert, jedoch erst 1982 in diesem Werk umgesetzt.

Vanitas-Motive in Umwelt und Zivilisation

Für ihr Aquarellblatt „Relikte II“ von 1988 hat Ruth Baumgarte eine ungewöhnliche Sicht auf ein Vanitas-Motiv gewählt. In Froschperspektive liegt ein überdimensional großer Fischkadaver am Strand, der nah am unteren Bildrand liegt. Ohne Kopf und teilweise schon skelettiert bestimmt er den gesamten Vordergrund. Es ist ein größerer Meeresfisch, der von der nahgelegenen Brandung ans Ufer gespült wurde oder Teil des täglichen Zivilisationsmülls geworden ist.

Die Palette der Aquarellfarben hat die Malerin bewusst im Bereich transparenter Zwischentöne gehalten. Fahle grüne, gelbe und violette Farbschlieren deuten die fortschreitende Verwesung des Fischleibs an, der auch Einblick in sein dunkles Innenleben gibt. Im Mittelfeld des Blatts liegt ein Schuhpaar. Sie stehen nebeneinander, als ob sie ihr Träger oder ihre Trägerin gerade im Stand ausgezogen hat, um ins Wasser zu gehen. Ihr gebrauchtes, veraltetes Aussehen gibt Rückschlüsse auf den Menschen, der sie getragen hat, ein Hinweis auf die Vergänglichkeit (Vanitas) des Lebens. Die Schuhe stellen somit ein expressives Stillleben von einem Ding und zugleich ein Portrait des abwesenden Menschen dar. Ihre Bildgeschichte geht auf Vincent van Goghs berühmte existenzielle Darstellungen alltäglicher Gebrauchsgegenstände wie Schuhe oder Kerzen (ein Vanitas-Motiv) und deren Wiederentdeckung im neuen Realismus ab den Achtzigerjahren zurück.

Die Künstlerin hat das Motiv in ihrem Reiseskizzenbuch vor Ort vorbereitet, wie auch einige Fotos und Kurzfilme bezeugen, die sie zeichnend oder aquarellierend am Strand zeigen. Seit den Fünfzigerjahren zog es sie auf zahlreiche Reisen in die Welt, seit den Siebzigerjahren u. a. häufig nach Spanien, insbesondere nach Katalonien im Nordosten und an dessen Küste wie an die hier dargestellte Region Bahia de Roses.

Wie der kurze Parcours gezeigt hat, entwarf die Künstlerin durchweg in ihrem Werk Themen und Motive zum Thema Vanitas, die unterschiedliche Erinnerungsmomente ihrer eigenen Bild- und Lebenswelt umkreisen. Vanitas-Motive wie Tierkadaver, Friedhof oder Kerzen weisen auf den ewigen Kreislauf von Leben und Tod hin, dem Mensch und Kreatur unausweichlich unterworfen sind.