Selbstbildnis mit Mütze, 1945, Aquarell, Tusche und Gouache auf farbig grundiertem Papier, 27,8 x 21 cm

Selbstbildnis mit Mütze, 1945

Das Selbstbildnis entsteht 1945, in einer Zeit, in der die 22-Jährige in Berlin die grauenhaftesten Erfahrungen in ihrem Leben macht: ständige Bombenangriffe und die Zerstörung Berlins, die Eroberung von Karlshorst durch russische Truppen und die Vertreibung von dort sowie die Sorge um das tägliche Brot und das ungewisse Schicksal ihres Mannes. Sie zieht gemeinsam mit ihrer Mutter nach Berlin-Lichtenrade, wo sie kurzzeitig als Pressezeichnerin für die unter sowjetischer Besetzung erscheinende Berliner Zeitung arbeitet. Dort lernt sie einen russischen Offizier kennen, der ihr und ihrer Mutter einen gewissen Schutz gewährt. Ruth Baumgarte nimmt im Gegenzug an kommunistischen Schulungen teil, was sich auch in dem Selbstporträt erkennen lässt. Sie zeigt sich mit Barrett und rotem Halstuch im Habitus einer Rotarmistin.

In der Gesichtspartie arbeitet sie das Aquarell sehr sorgfältig aus, die Jacke und die darüber liegenden Gurte hingegen eher skizzenhaft. Der Blick ihrer Augen geht am Betrachter vorbei und zieht ihn dennoch in seinen Bann. Der Gesichtsausdruck lässt sich nur schwer deuten: er schwankt zwischen Selbstbewusstsein und subtiler Unsicherheit. Die roten Lippen und das leuchtendrote Halstuch sorgen für einen besonderen Akzent.

Aufgrund ihrer Beziehungen zu dem russischen Offizier erhält sie einen Passierschein, der es ihr Anfang Mai ermöglicht, noch einmal für wenige Stunden in das Sperrgebiet in Karlshorst zurückzukehren und ihre Habseligkeiten und Kunstwerke aus dem Haus in der Rheingoldstraße zu holen. Auf diese Weise gelingt es ihr, einen Teil ihres Frühwerks zu retten.