Ruth Baumgarte und das Wirtschaftswunder. Farbrausch am Kessel

Ruth Baumgarte ist eine der wenigen Frauen in der Kunstgeschichte, die sich künstlerisch mit den Themen Technik und Arbeit auseinandergesetzt hat. Die in Berlin aufgewachsene Künstlerin kam durch ihren zweiten Ehemann, den Bielefelder Fabrikanten Hans Baumgarte, damaliger Eigentümer eines prosperierenden Unternehmens im Kessel- und Apparatebau, Anfang der 1950er-Jahre mit der Stahlindustrie in Berührung. Sie porträtierte fortan immer wieder Menschen im Kontext industrieller Produktion und fertigte ihre Arbeiten direkt vor Ort in den Industriehallen an.

Fasziniert von den Menschen in der Fabrik und der Wucht der Dimensionen entstand von 1952 bis 1969 ein Zyklus aus rund 100 Arbeiten, vornehmlich in Aquarell und Mischtechniken. Die Arbeitswelten zeugen sowohl von den immensen Leistungen der Arbeiter, die maßgeblich am Wiederaufbau der Industrie des kriegszerstörten Landes beteiligt waren, als auch von der rapide aufsteigenden Entwicklung der Lebensqualität mit wachsender Wirtschaft. Den Arbeitern wurde von Ruth Baumgarte ein sensibles und würdevolles Denkmal gesetzt und der Wiederaufbau der Schwerindustrie als Teil des bundesdeutschen Wirtschaftswunders dokumentiert.

Presseberichte

Entgegen den zeitparallelen Strömungen in der Kunst, die sich nach den traumatisierenden Kriegsereignissen vermehrt der Abstraktion zuwandten, sind ihre vorwiegend gegenständlichen Arbeiten eine Besonderheit. Ruth Baumgarte versteht es auf eine ganz eigene Art, in ihren dynamischen, ausdrucksstarken Arbeiten Gegenständlichkeit und abstrahierte, farblich expressive Bildebenen harmonisch aufeinandertreffen zu lassen und zu verbinden. Die Ausstellung integrierte Ruth Baumgartes Werkreihe von Industrie- und Arbeiterbildern in den zeitgeschichtlichen Kontext, den materiellen und politischen Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland. Die Werke wurden durch historische Fakten anschaulich ergänzt und wissenschaftlich begleitet. Die Schau umfasste ca. 60 künstlerische Einzelwerke – Aquarelle, Zeichnungen und Gemälde – der Künstlerin aus den 1940er bis 1970er Jahren zu Industrie und Arbeit. Das Gros der Arbeiten entstand zwischen 1952 bis 1968.

Die Ausstellung im Hoesch-Museum wurde durch das Köln-Darmstädter Architekturbüro KatzKaiser gestaltet. Kuratoren waren der Wirtschaftshistoriker Prof. Hanno Sowade (Haus der Geschichte Bonn) und die Weimarer Kunsthistorikerin Dr. Sandra Mühlenberend. Begleitend erschien eine 168 Seiten starke Buchpublikation im Wienand Verlag Köln.

Eröffnung

Zur Ausstellungseröffnung am 11. März, 11 Uhr las die bekannte Schauspielerin Hannelore Hoger ausgewählte Texte zur Industriearbeit von Martin Walser und Egon Erwin Kisch. Hannelore Hoger wurde für ihre Arbeit als Theater- und Filmschauspielerin mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Rolle der Kommissarin Bella Block. Die Künstlerin Ruth Baumgarte hat Hannelore Hoger selbst persönlich kennengelernt.

Nach einem Grußwort von Jörg Stüdemann, Kulturdezernent der Stadt Dortmund, gaben der Kurator Prof. Hanno Sowade sowie Prof. Beate Reifenscheid, Direktorin des Koblenzer Ludwig Museum und Ruth Baumgarte-Kennerin, sowie der Sohn der Künstlerin Alexander Baumgarte eine wissenschaftliche Einführung in die Ausstellung.