Preisträger des 8. Kunstpreises Ruth Baumgarte: Athi-Patra Ruga

v.l.n.r. Prof. Dr. Klaus Albrecht Schröder, Generaldirektor Albertina, Angela Stief, Direktorin Albertina Modern, Athi-Patra Ruga, Preisträger des 8. Kunstpreises Ruth Baumgarte, Alexander Baumgarte, Vorstandsvorsitzender der Kunststiftung Ruth Baumgarte

Photo: Sebastian Drüen

2022 vergibt der museale Beirat der Kunststiftung Ruth Baumgarte den 8. Kunstpreis Ruth Baumgarte an den südafrikanische Künstler Athi-Patra Ruga (*1984 in Umtata, Südafrika).

Athi-Patra Ruga arbeitet mit Performance, Video, Textilien und Druckgrafik, um Vorstellungen von Utopie und Dystopie, Materialität und Erinnerungskultur zu erforschen. Besondere Strahlkraft besitzen seine opulenten Tapisserien mit Kreuzstich, teilweise mit Objet trouvé angereichert. Rugas Arbeit stellt den Körper in Bezug zu Sinnlichkeit, Kultur und Ideologie. Themen wie Identität, Sexualität, Erinnerung und Macht durchziehen seine Arbeit.

Sein künstlerischer Ansatz, Mythen und alternative Realitäten zu schaffen, ist der Versuch, die Traumata der letzten 200 Jahre Kolonialgeschichte aus einem Ort der Distanz zu betrachten, seiner imaginären Welt Azania – ein Begriff aus der Anti-Apartheid Bewegung der 1950ern «a post-apartheid, decolonial, and equal South Africa», wo diese außerhalb von persönlicher Trauer und subjektiver Abwehr existieren.

Presseberichte

Dr. Renée Gadsden, Mitbegründerin des Instituts für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst, Wien, im Katalog zur Ausstellung RUTH BAUMGARTE – Africa: Visions of Light and Color in der Albertina, Wien:

"Als Künstler will Ruga nach seinen eigenen Worten die Vergangenheit hinterfragen und die Gegenwart erträglich machen. Eine seiner zentralen Botschaften ist die der Hoffnung auf eine fabelhafte, glückliche, bessere Zukunft. Er betrachtet die Welt mit Staunen und Ehrfurcht, und seine Kunst setzt ein Zeichen dafür, dass Afrika über seine Rolle als Lieferant materieller und immaterieller Rohstoffe und Ressourcen hinaus für die Welt auch eine eigenständige kreative Bedeutung hat.

Zwischen dem Kunstschaffen Athi-Patra Rugas und demjenigen Ruth Baumgartes finden sich viele Übereinstimmungen. Die kraftvollen Farben und die Art der Wiedergabe der Dargestellten öffnen fensterartig den Blick auf komplexe Gefühlszustände. Während Baumgarte für ihre Studien von Frauen und Männern weite Teile Afrikas bereiste, ist Ruga autarker und porträtiert sich meist selbst, sei es als Frau, als Mann oder auch als androgynes Wesen. Das Hinterfragen der Heteronormativität ist eine weitere Strategie, mit der er das im Hier und Jetzt nach wie vor spürbare brutale koloniale Erbe untergräbt. Baumgarte ließ sich bei der Wahl ihrer Themen und Szenen von ihrem zeichnerischen Geschick und ihrem Blick für intime Momente leiten.

Ihre Werke wirken friedlich und intim. Ruga wählt einen eher monumentalen Ansatz. Er positioniert sich selbst und die meisten der von ihm dargestellten Figuren großformatig und häufig frontal. In seinen Gemälden, Wandteppichen und Glasbildern nehmen die Gesichter und Körper die gesamte Bildfläche ein und strahlen eine Ernsthaftigkeit aus, wie man sie von christlichen Ikonen kennt, auch wenn ihr spielerischer Ausdruck und die Requisiten im Widerspruch dazu stehen. In einem künstlerischen Prozess, den er gern einen Pfad zur Selbstheilung nennt, jongliert Athi-Patra Ruga zwischen Vergangenheit und Gegenwart, erlebten Schrecken und dem Vertrauen auf eine bessere Zukunft. Er hofft, dass wir als Betrachter gemeinsam mit ihm Heilung finden."

Seine Konstruktion eines mythischen, von seinen Avataren bevölkerten Metaversums, ermöglicht es Ruga einen Raum der Selbstreflexivität zu kreieren, in dem politische, kulturelle und soziale Systeme kritisiert und parodiert werden.

“His playful imagery draws from a diverse range of cultural references that are not limited to a specific biology, ancestral origin, or geographical location. The queer hybrid figures represented in Ruga’s work exist in a liminal world between the utopian dream and reality.” (ZEITZ MOCCA)

Elaboriertes Storytelling und der allegorische Wert der Utopie stehen im Mittelpunkt von Rugas Praxis. Tradierte Elemente aus Camp, Drag und Travestie sowie höchste Handwerkskunst bestimmen die vordergründige Ästhetik. Zentral ist aber auch die Reappropriation kolonialer Kontexte und westlich konnotierter Materialien, wie in seinen Teppich-Gemälden oder den Glasarbeiten.

Dabei löst sich seine Kunst immer mehr aus einem nationalen Kontext und bietet globale Bezugspunkte, so zum Beispiel der Zyklus um den senegalesischen Tänzer François "Féral" Benga (1906–1957), einem heute weitestgehend vergessenen Modell der Harlem Renaissance-Künstler, der mit Josephine Baker in Paris auftrat, oder seine Interventionen zu der deutschstämmigen südafrikanischen Expressionistin Irma Stern (1894-1966), deren Werke zusammen mit Arbeiten Käthe Kollwitz (1867-1945) bereits früh in Rugas Schaffen zu einer zentralen Quelle der Inspiration wurden.

Ruga benutzt seine Utopie als Linse, um die bewegte Geschichte einer kolonialen Vergangenheit zu verarbeiten, die Gegenwart zu kritisieren und eine mögliche humanistische Vision für die Zukunft vorzuschlagen. Sein positivistischer, gar hoffnungsvoller Ausblick, der die Vergangenheit weder überschreiben noch ausblenden möchte, unterstreicht die Einzigartigkeit seines Schaffens:

"… I don’t feel things should be destroyed or moved away. I think that you should just add on to them. There’s space for all of the conversation, and many things can live – many opposing things can live – together side by side.”

2015 erhielt Athi-Patra Ruga den Grand prize at the Rebcontres de Bamao, der Africa Biennale of Photography. Er ist Mitbegründer von Victory of the Word, einem Fundraising- und Entwicklungsprojekt zur Unterstützung der historischen Druckerei Lovedale in Alice, Ostkap, sowie künstlerischer Leiter von BODYLAND, einer Inkubator-Residenz für Künstler im Amathole Dorf, Hogback.

Ausstellungen (Auswahl)

2021/22 Irma Stern Museum, Kapstadt

2021 ARoS, Aarhus / Galerie Eva Presenhuber, New York

2020 Norval Foundation, Kapstadt 2019

Haywood Gallery, London 2018

Somerset House, London / Pier 94, New York / Sean Kelly Gallery, Seattle

2017 Louis Vuitton Foundation, Paris

2016/17 Boston Centre for the Arts, Boston

2016 Bass Museum of Art, Miami / Performa 17, New York

2015 Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk

2013 Biennale von Venedig

Sammlungen (Auswahl)

Museion Museum of Modern and Contemporary Art, Bozen

CAAC Pigozzi Collection of African Art, Genf Wedge Collection, Toronto

Smithsonian Museum of African Art, Washington, DC

Foundation Louis Vuitton, Paris

Fondation Gandur pour l’Art, Genf

Zeitz MOCCA, Kapstadt

IZIKO South African National Gallery, Kapstadt