Zählt nicht uns, zählt Eure Tage, 1987, Aquarell über Kohle auf Papier, 149 x 99,3 cm

Zählt nicht uns, zählt Eure Tage, 1987

In den 80er Jahren wendet sich Ruth Baumgarte mit ihrer besonderen Beobachtungsgabe immer wieder gesellschaftlich randständigen Gruppen zu. Obgleich sie selbst der sogenannten „höheren“ Gesellschaft angehörte, galt ihr Interesse immer wieder gesellschaftlich Abgehängten.

Das Bild zeigt geschminkte, alternative Jugendliche in abgewetzter Kleidung mit durch die Lippen gestochenen Sicherheitsnadeln, Hundeketten und Würgehalsbändern vor der Kulisse der Hamburger Hafenstraße, die ab Mitte der 1970er Jahre zum Zentrum der deutschen Punkszene zählte – Ratten, umgeworfene Rotweinflasche, Klobecken und in der Mitte des Bildes ein Embryo. Fast sakral wird die Szene von einem hochaufragenden Kreuz im Hintergrund überragt.

Besonders anstößig wirkt die Ratte im Vordergrund, die an einem Embryo hochklettert. Während die Gruppierung der Punker eine realistische Dimension aufweist, entsteht an dieser Stelle eine verstörende Realitätsebene. Das collagenartige Gruppenbildnis zeigt Punks, die seit den späten 1970er Jahre die bürgerliche Gesellschaft provozierten.

Ausgehend von der Musik wurde Punk zu einer Subkultur, die sich später zu einem Popkulturphänomen wandelte und deren kulturellen Ausprägungen in Mode und Musik impulsgebend aufgegriffen wurden. Mit dem Titel Zählt nicht uns, zählt Eure Tage begibt sich Ruth Baumgarte eindeutig auf die Seite der Punks. Ironisch wird der Spießbürger an seine eigene Vergänglichkeit erinnert.