Selbstbildnis (…an der Tür), 1979, Bister, Kreide und Aquarell auf Papier, 40 x 38 cm
Selbstbildnis (… an der Tür), 1979
Ruth Baumgarte präsentiert sich in selbstbewusster Haltung. Sie ist 56 Jahre alt, arbeitet erfolgreich als Künstlerin, leitet die Galerie Das Fenster, managt eine Patchwork-Familie mit fünf Kindern und ein großes Haus und geht regelmäßig auf lange Reisen. Sie hat aber auch vertraute Verwandte verloren und ihre Ehe mit Hans Baumgarte ist manch schwerer Herausforderung ausgesetzt.
Das meisterhaft in Bister und Kreide ausgeführte Zeichnung zeigt eine Frau, die im Leben steht und weiß, was sie will. Mit der linken Hand stützt sie sich am Türrahmen ab, die rechte Hand, von der nur die Fingerspitzen sichtbar sind, ist wie zum Gruß erhoben. Wir wissen nicht, ob die Geste eine Verabschiedung oder Begrüßung andeutet, doch die unklare Situation ist bewusst gewählt: Denn sie befindet sich genau an der Schwelle zwischen Privatraum rechts und öffentlichem Raum links, wo im Hintergrund moderne Architekturen zu sehen sind.
Die Symbolbedeutung der Tür ist ambivalent: Türen schaffen Verbindung, können aber auch trennen, sie führen in die Weite nach außen oder öffnen sich einladend nach innen. In jedem Fall wirkt das Selbstbildnis (…an der Tür) wie eine prophetische Sicht auf die eigene Zukunft. In den 1980er Jahren verändert sich ihre Kunst und wird emotionaler. Gesellschaftlich brisante Themen formuliert sie aus persönlicher Betroffenheit und individueller Haltung heraus. Und sie wird die Erfüllung ihrer lebenslangen künstlerischen Arbeit im Afrika-Zyklus finden, der ab 1991 in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt wird und ihr die Anerkennung für ihre künstlerische Lebensleistung verschafft.