Do not pass this point, 1987
Unter einem uralten, knorrigen Baum mit einer grünen Schlange im Geäst sitzt ein junges Liebespaar, das durch seinen offensiven Auftritt an die Sehnsucht nach Protest in einem Halbstarken-Film erinnert. Der Mann mit dem perfekt trainierten Oberkörper trägt eine enganliegende Jeans, ein Symbol der Rebellion, deren Hosenschlitz weit geöffnet ist; sein linkes Bein ruht zwischen den Beinen der Frau. Auch sie ist spärlich bekleidet. Der auffallend rote Mantel und kurze schwarze Rock lassen ihre Brüste und die nackten Beine frei. Sie neigt sich zärtlich dem Mann zu und fasst ihn an seine Schulter, doch dieser blickt sie nicht an, sondern greift stattdessen nach dem Apfel in ihrer Hand, dessen Grün sich leuchtend vom Rot ihres Mantels abhebt.
Doch dieses Versprechen soll, wie das profane Holzschild Do not pass this point verkündet, keinesfalls eingelöst werden. Die moderne Version von Liebe, Verführung und Sex entstand 1987, als die Bundesregierung ihr Sofortprogramm zur Bekämpfung der AIDS-Epidemie startete, womit das brisante Thema ins allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung geriet.
Im Aquarellblatt heben sich die farbigen Partien vor dem weißen Hintergrund in Pop-Art-Manier ab. Bemerkenswert ist zudem, wie die Künstlerin ihr seit den Vierzigerjahren in zahlreichen Blättern eingesetztes Zeichenwerkzeug nochmals umdefiniert. Nun entfaltet das verführerische Farbspektrum der Pastellkreide auch eine subtile subversive Kraft, die die Schattenseiten menschlicher Gefühle aufzeigt.