The Brighter Side, 1995
Es ist Nacht: Ein Mann stützt sich auf ein schmiedeeisernes Geländer und blickt uns aus dem Dunkel heraus ruhig an. In der Hand hält er eine Zigarette, in einem seiner runden Brillengläser leuchtet rechts die städtische Kulisse rot auf, während er uns aus dem anderen direkt anblickt. Rechts von ihm schiebt sich eine Frau mit roten Haaren ins Bild. Mit Top und Shorts leicht bekleidet erscheint sie wie eine Lichtgestalt, die der nächtlichen Stadt entstiegen und gleichzeitig von ihren Strukturen umschlossen ist. Leuchtreklamen, Hochhäuser, Brückenfragmente, Bahn- und Autobahntrassen, auf denen gelb erleuchtete Gefährte in diverse Richtungen stoßen, formen eine labyrinthische Struktur, die an die Bauten in Fritz Langs expressionistischem Stummfilmklassiker Metropolis denken lassen.
Die Bild setzt sich aus zahlreichen Versatzstücken zusammen, die für eine globalisierte Welt stehen, deren herkömmliche Ordnungsprinzipien – Stadtstrukturen, Geschlechterkonstrukte und Ethnien – aus den Fugen geraten ist. Auch der Farbraum explodiert um die reinen Grundfarben Blau, Rot und Gelb. Die Wirkung dieses leuchtenden Tiefenraums beruht auf Ruth Baumgartes versierter Aquarelltechnik, die seit den Achtzigerjahren durch Mischformen von Gouache, Pastellkreide, Kohle und Bleistift stetig an Leuchtkraft und Tiefe gewonnen hat.
Aufgrund der unklaren Raumsituation lässt die Künstlerin letztlich offen, ob wir eine Vision, einen Traum oder ein Wunschbild betrachten.