Rain, 1994
Der Blick fällt auf eine Mise-en-Scène mit drei Figuren, die fast das gesamte Bild einnehmen. Im Vordergrund ist ein Mann mit gelbem, breitkrempigem Hut zu sehen, der seine Hände klatschend erhoben hat. Vor ihm sitzt eine geschmückte Frau in einem roten Gewand, die eine Hand Richtung Kopf führt. Die andere Frau mit Kopftuch, das im Licht gleißend aufleuchtet, beugt sich gerade zu den beiden Sitzenden herunter und zeigt ihnen etwas, das sie in den Händen hält.
Es ist eine Szene des sozialen Miteinanders, die auch künstlerisch durch die enge Nachbarschaft der Grundfarben Rot, Blau und Gelb anklingt. Reizvoll ist, wie die Szene trotz ihres dunklen Grundtons voller Licht wirkt und die aufleuchtenden Lichtpunkte den Raum mit seinen schlierenartigen Streifen, die einen Wolkenbruch evozieren, verlebendigen. Doch das eigentliche Thema des Werks ist das abstrakte Geschehen, auf das die Gruppe ihre Aufmerksamkeit richtet und das für die Betrachter des Werks verborgen bleibt. Sie sehen etwas vor sich, das wir nicht sehen; gleichzeitig beobachten wir sie, wie sie beobachten.
Ruth Baumgarte stellt die drei Rückenfiguren ins Bildzentrum, um stellvertretend an ihnen das Thema »Sehen« und dessen Reflexion ins Spiel zu bringen. In ihrem künstlerischen Schaffen war sie von Anfang an überzeugt, dass es nicht nur darum geht, ein Bild der bestehenden Wirklichkeit zu schaffen, sondern auch die spezifische Ausrichtung des Sehens bzw. des Beobachtens zum Thema zu machen.