In den Vorstädten, 1964, Aquarell und Bleistift auf elfenbeinfarbenem Aquarellpapier, 30 x 21 cm, nicht verwendete Vorlage für den Eisenwerk-Baumgarte-Kalender von 1965

In den Vorstädten, 1964

Das vorliegende Blatt von 1964 zählt zu sechs Aquarellblättern, die ursprünglich für die Kalenderausgabe der Eisenwerke Baumgarte von 1965 vorgesehen waren, aber nicht verwendet wurden. Die Werkgruppe geht aufgrund ihrer leuchtenden Farbigkeit, der verdichteten Figurengestaltung und spezifischer Details, die nur hier zu finden sind, über die anderen Kalenderfolgen weit hinaus und gilt deshalb als eigenständige künstlerische Werkgruppe.

Auf diesem Blatt stellt die Künstlerin nicht nur die Arbeit dar, sondern lässt auch deren faszinierende Prozesse über besondere künstlerische Mittel hervortreten. Arbeiter, Werkzeug und Raum sind im vertikal auftragenden Bildraum so dicht angeordnet, dass sie nicht mehr zu unterscheiden sind. Vielmehr wirkt die Komposition wie eine Collage, die eigenständige, gegensätzliche Einheiten zusammenführt.

Die Aquarellfarbe, die Ruth Baumgarte seit Mitte der 1940er Jahre in ihrem Werk einsetzt, erscheint in einer neuen Leuchtkraft. Rot, Gelb und Blau lässt Ruth Baumgarte – wie Menschen und Maschinen – direkt aufeinanderprallen. Der Kontrast macht die Bewegung der intensiv arbeitenden Hände unmittelbar deutlich. Besonders ins Auge fallen die expressiv vergrößerten Hände, die das Bild auf eine weitere Wirklichkeitsebene heben. Es wird deutlich, dass die Künstlerin nicht nur die Bedeutung von mechanisch arbeitenden Hände darstellt, sondern auch die eigenständige, freie Schaffenskraft von Künstlern ins Bild rückt.

Die künstlerische Freiheit, die sich Ruth Baumgarte in der Gestaltung u. a. mit diesem Blatt nimmt, führte vermutlich dazu, dass das Blatt nicht im Kalender abgedruckt wurde. Das Handmotiv erscheint ab 1970 immer wieder in ihren Bildkompositionen als symbolisches oder expressives Element, siehe das Kapitel Zukunftsängste 1975-1990.