Ehrung von Ruth Baumgarte in Berlin-Karlshorst

Die Künstlerin Ruth Baumgarte (1923-2013) wird in Berlin-Karlshorst für ihre systemkritische künstlerische Verarbeitung der rassisch, religiös und politisch motivierten Verbrechen während des Nationalsozialismus mit einer Gedenkstele geehrt. Diese wird an dem Ort errichtet, an dem Ruth Baumgarte zusammen mit ihrer Mutter während ihrer Ausbildungs- und Studienzeit an der Hochschule für bildende Künste von 1939 bis 1945 bis zum Einmarsch der Sowjettruppen und der letzten Kämpfe in der Rheingoldstraße 32 in Berlin-Karlshorst lebte. Auch innerhalb ihrer Verwandten und Freunde erlebte Ruth Baumgarte die politische und rassische Verfolgung und die daraus resultierenden Repressalien. Ihre Wahrnehmung wurde so auch für die in Berlin-Karlshorst ansässigen Sinti und Roma Familien geschärft, die sie entgegen der politischen Direktiven auch in ihren Werken auf der Flucht vor dem Genozid ins Bild setzte. Im Beisein des Bezirksbürgermeisters Michael Grunst und Vorsitzenden der Kunststiftung Ruth Baumgarte, Alexander Baumgarte, findet die offizielle Enthüllung der Gedenkstele durch Manfred Becker von der Gedenktafelkommission und Dr. Catrin Gocksch, Leiterin des Fachbereiches Kunst und Kultur öffentlich statt.

Standort - Am Eingang des Rheinsteinparks, Rheingoldstraße 32, 10318 Berlin-Karlshorst

Die durch ihren Afrika-Zyklus international bekanntgewordene Malerin, Zeichnerin und Illustratorin Ruth Baumgarte erhielt 1939 bis 1940 ihre Ausbildung an der Privaten Kunstschule des Westens bei Emmy Stalmann in Berlin-Charlottenburg. Dort war auch der später berühmte Autor Hans Scholz (1911-1988) als ihr Lehrer tätig. Es entwickelte sich eine langjährige Freundschaft zwischen beiden Künstlern. In dieser durch den Nationalsozialismus geprägten Zeit suchten sich beide symbiotische aber verschiedene Wege das Erlebte in Gesprächen und künstlerisch zu bewältigen. Hans Scholz setzte sich mit den historischen Ereignissen in dem 1960 verfilmten Roman Am grünen Strand der Spree (1955) in einem vielschichtigen Porträt des Krieges und Nationalsozialismus in Berlin auseinander.

Eine Humanistin auf Seiten der Sinti und Roma im Nationalsozialismus

Ruth Baumgarte verarbeitete zeichnerisch in ihrem Frühwerk der 1940er Jahre mit offenen Augen die erschreckenden Gräueltaten an ihren Mitmenschen, insbesondere an den Sinti und Roma und an der sogenannten "verlorenen Generation". Ruth Baumgartes Wohnort in Berlin-Karlshorst und der heutige Platz der Gedenktafel liegen am Ort der nicht mehr vorhandenen Laubenkolonie Wiesengrund, die in den 1940er-Jahren von Sinti und Roma als Siedlung genutzt wurde, unweit des sogenannten "Zigeunerlagers" in Berlin-Marzahn. Die junge Künstlerin hielt trotz immer strikterer Restriktionen Kontakt zu Sinti und Roma. Einige Arbeiten, die sie nur mit einer Sondergenehmigung aus dem Nachkriegsberlin ausführen konnte, erzählen von Vertreibung und Verfolgung, so die Skizze und Zeichnung zum Werk Zigeuner im Regen von 1942/43. Zwei Musiker fliehen durch den Regen vor einer im Bild sich abzeichnenden Gefahr. Die überwachten Bahngleise zum historischen Bahnhof Berlin-Wuhlheide, einer der Durchgangsstationen der Deportationszüge, finden sich als mahnende Zeichen des beginnenden Genozids. Ruth Baumgartes in Berlin-Karlshorst entstandene Werke stammen aus einer Zeit der Verfolgung und Repression, als bereits das so genannte „Zigeunerlager“ in Berlin-Marzahn bestand. Die junge Künstlerin wurde so zu einer genauen Beobachterin ihrer Umwelt, die nicht vor verbotenen und unbequemen Wahrheiten zurückschreckte, sondern zeitlebens ihre künstlerische Arbeit dem Menschen in seiner Realität widmete.

Photo: Giovanni Lo Curto