Biographie mit historischen Bilddokumenten
1923
1935-39
1935 Umzug nach Berlin-Karlshorst
Schülerin am Karlshorster Lyzeum (ab 1938 Marie von Ebner-Eschenbach-Schule). Sie schließt mit dem »Einjährigen « (Mittlere Reife) ab.
Mit ihrer Mutter zieht sie 1939 in die Rheingoldstraße 32 in Berlin-Karlshorst, wo sie häufig ihre Tante mit dem angenommenen Sohn Dieter trifft.
1939 Besuch der Privaten Kunstschule des Westens von Emmy Stalmann in der Kantstraße 154 A in Berlin-Charlottenburg (bis 1941)
An der Kunstschule unterrichtet Hans Scholz seit 1937 als Nachfolger von Gerhard Ulrich. Mit ihm verbindet sie eine lange Freundschaft. 1955 erscheint von ihm der Erfolgsroman Am grünen Strand der Spree, der 1960 verfilmt wurde.
1941
Beginn des Studiums der Malerei und Freien Grafik an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste Berlin (bis 1944) bei den Professoren Gerhard Ulrich, Kurt Wehlte, Wilhelm Tank, Hermann Franke und Carl Michel. Während des Studiums entstehen Akt- und Porträtzeichnungen sowie Werke mit Arbeitermotiven und erste Illustrationen. Während der Kriegsjahre beobachtet sie Deportationen von Verfolgten der NS-Diktatur.
Während ihrer Studienzeit arbeitet sie von 1941 bis 1944 in den Kaskeline-Zeichentrickfilmateliers von Wolfgang Kaskeline. Der sogenannte Walt Disney Deutschlands ist der einzige noch in Deutschland tätige jüdische Regisseur in dieser Zeit. Weitere Informationen
1942
Sie begegnet vermutlich Sinti und Roma in der Kleingartenanlage Wiesengrund in Karlshorst. Die Arbeit Zigeuner im Regen entsteht. Nahe Karlshorst befindet sich das Sinti- und Roma- Zwangslager Berlin-Marzahn. Von hier wurden 1943 die Menschen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
An der Akademie lernt sie Florian Breuer, einen Schüler von Max Kaus, kennen, mit dem sie eine jahrzehntelange Verbindung hatte. Er vermittelt ihr die Aquarellmalerei und prägt sie damit stark.
1943
Den Sommer 1943 verbringt sie mit dem Reichsarbeitsdienst bei Lauenburg, Pommern (heute: Lębork/Polen) zum Torfstechen. Später wird sie diese Zeit als »ausgesprochen bereichernd« bezeichnen.
Sie heiratet den Studienkollegen Eduard Alfred Gustav Busse (1914–2003) aus Bielefeld, der unmittelbar nach der Heirat an die Front zurückkehren muss.
1944
Infolge der Evakuierung der Staatlichen Hochschule in Berlin wechselt sie für fünf Monate zum Studium an die Staatliche Industrie- und Kunstgewerbeschule Sonneberg in Thüringen.
Sie bewirbt sich um einen Studienplatz an der Staatlichen Kunsthochschule Dresden, Abteilung Malerei und Plastik. Weil nur Kriegsversehrte aufgenommen werden, erhält sie eine Ablehnung und kehrt nach Berlin zurück.
1945
Am 3. Februar erlebt sie den schlimmsten Luftangriff auf Berlin. Am 8. Mai erfolgt die Kapitulation. Berlin-Karlshorst wird durch die sowjetische Armee zum Sperrgebiet. Ihr bleiben nur wenige Stunden, um einen Teil ihrer Arbeiten aus der Wohnung Rheingoldstraße 32 zu retten. Sie zieht nach Berlin-Lichtenrade und arbeitet kurzzeitig als Pressezeichnerin für die von den sowjetischen Besatzern herausgegebene Berliner Zeitung.
Begegnung mit dem Arzt Dr. Fritz Kohs, dessen Gesichtszüge in mehreren ihrer Kompositionen häufiger erkennbar sind. In Lichtenrade übernimmt sie die Leitung eines von der sowjetischen Besatzungsmacht gegründeten Jugendheims (später Lortzingclub) und arbeitet ab Juli als Zeichenlehrerin am Ulrich-von-Hutten- Gymnasium in Lichtenrade.
Es entstehen erste Aquarellzeichnungen, darunter Knabenporträts und Atelierecke (Abends).
1946
1947
Geburt des Sohnes Thomas Christian Busse
Auftakt ihrer Karriere als Illustratorin, angewandter Grafikerin und freischaffender Malerin. Es entstehen Illustrationen für Zeitungen und Magazine wie Freie Presse (1949–1953) und Magazin der Hausfrau (1949–1954). Sie gestaltet eine Reihe von Kinderund Jugendbüchern, aber auch Belletristik, wie etwa Werke von Alfred Döblin und Oskar Wilde.
Erste öffentliche Ausstellungsbeteiligung mit Tuschezeichnungen an der Ausstellung Deutsches Buchschaffen in Bielefeld. Sie tritt dem Landesberufsverband Bildender Künstler Nordrhein-Westfalen bei und nimmt bis 1952 an zahlreichen Gruppenausstellungen teil.
1948-51
In den Jahren 1947 bis 1948 ist sie stark in der Kultur- und Theaterszene engagiert. Der Schauspieler Hans Wintrath wird ein enger Freund und später zu einem Freund der Familie Baumgarte.
Sie lernt den Unternehmer Hans Baumgarte bei einer Ausstellung mit Kinderporträts kennen und porträtiert dessen beide Söhne aus erster Ehe.
Für das Theater Apollo in Düsseldorf, das von ihrem Vater für die UFA geleitet wird, gestaltet sie 1950 das Cover für den Eröffnungsprospekt.
Von 1950 bis 1953 reist sie gemeinsam mit Hans Baumgarte mehrmals an den Bodensee.
1952
Heirat mit dem Industriellen Hans Baumgarte (1917–1999). Aus der Ehe gehen die Kinder Janine und Alexander hervor. Der Patchwork-Familie gehören die Kinder aus erster Ehe Ernst- August und Hans-Hermann an.
Es beginnt eine Zeit intensiver Reisetätigkeit, u. a. durch ganz Europa, mehrwöchige Rundreisen durch Spanien und Italien. Zahlreiche Aufenthalte in vielen internationalen Großstädten, immer wieder auch in Berlin.
Es entstehen Reisebilder wie die Aquarelle Finnische Impressionen (1952), Blick auf den Vesuv (1955) und Istanbul (1960).
Im Auftrag der Eisenwerke Baumgarte entstehen Kalenderillustrationen (bis 1967), die zum Werkzyklus Fabrikwelten führen, die sie zusammen mit dem befreundeten Bielefelder Grafiker Werner Kuhnert umsetzt.
Weitere Aufträge u. a. für die Firma Dr. Oetker
1953-59
Aus gesellschaftlichen Gründen wird ihr die Illustrations-Arbeit für die politisch linksgerichtete Freie Presse von ihrem Mann untersagt.
In den Jahren 1954 bis 1961 entstehen zahlreiche Porträts, Natura morte und Theaterdarstellungen.
Erste internationale Ausstellungen: Galeria Machico, Estoril / Portugal (1954), Galleries Dr. Khalili, Teheran / Iran (1957), Circolo Nautico, Alassio / Italien (1961).
Ab Mitte 1950er-Jahre jährliche Aufenthalte auf Sylt Zwischen 1957 und 1959 erste Reise nach Johannesburg / Südafrika und nach Ägypten.
1960-72
Um 1960 Reisen in den Iran, u. a. nach Teheran, Ishafan und an das Kaspische Meer.
1966/67 bekommt sie in Kontakt zur Kulturszene in Prag aufgrund des Werkzyklus Fabrikwelten. Ihr wird ein Lehrauftrag an der Kunstakademie Prag angeboten.
Trennungsabsichten des Ehepaares Baumgarte. Ruth Baumgarte erwägt nach München zu ziehen.
Ihre Werke zeigen ab 1970 erstmals die gesellschaftliche Sensibilisierung für Gesellschafts- und Umweltthemen, z. B. in den Werken Meditation (1975) und Später Winter (1975).
1973-74
Intensive Reisen in die Pyrenäen und Auseinandersetzung mit den durch den spanischen Bürgerkrieg belasteten Regionen (Portbou und das Ampurdán), die schon Alma Mahler-Werfel, Walter Benjamin und Lion Feuchtwanger während ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten prägte.
Ausgehend vom Spanischen Skizzenbuch entstehen Bilder zur Spanischen Legende und die Folge A la recherche du temps perdu.
1974 Einzelausstellung in der Galerie Chamoizzi, Lyon / Frankreich
1975-79
1975 Beitritt zum Bundesverband Bildender Künstler Ostwestfalen- Lippe. Bis 1985 Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen des Verbandes
1975 Gründung der Produzentengalerie Das Fenster in Bielefeld, die sie bis 1982 betreibt. Damit fördert sie auch die regionale Kunstszene.
Der ehemalige Feuilleton-Chef der Neuen Westfälischen, Martin Bodenstein, schrieb in seinem Buch Mimen, Maler und Mimosen: Das Fenster besaß eine winzige Sitzecke für Enthusiasten, die nicht auf Kunstkomfort, sondern auf komfortable Kunst und obendrein auf Konversation mit ihren Schöpfern Wert legten. Mit ihrer legendären Galerie habe Ruth Baumgarte ›die Butzenscheiben der Provinz aufgestoßen‹.
1980
Ab 1980 jährlich mehrmonatige Aufenthalte in Afrika, parallel Reisen durch Europa und immer wieder nach Spanien. Künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, u. a. 1986 nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl.
Der Zyklus thematisiert die gesellschaftlichen und sozialpolitischen Umbrüche des afrikanischen Kontinents.
1984–87
1984 Beitritt zum Lippischen Künstlerbund
Ab 1985 reflektiert sie in Milieustudien die Spannungsfelder zwischen Individuum und Gesellschaft, Mensch und Natur
Die achtteilige Zeichnungsserie Nichtseßhaft entsteht ab 1986.
1986 Mitverantwortliche Gründung der Samuelis Baumgarte Galerie, Bielefeld
Um 1987 Kontaktaufnahme zum staatlichen Kunsthandel der DDR und zur ostdeutschen Kunstszene. Von Gerhard Kettner, Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden, wird ihr ein Lehrauftrag angeboten.
1990–99
Seit 1990 freundschaftliche Verbindung zu dem renommierten Kunsthändler Gene Aberbach und dessen Frau Susan, New York
Ab 1992 intensive internationale Ausstellungstätigkeit, u. a. Ladengalerie Berlin (1991), Frost & Reed Ltd., London (1992), G. W. Einstein Company Inc., New York (1993), Galleria Giulia di Roma, Rom (1994), Stichting Veranneman, Kruishoutem / Belgien (1996), Galleria Marieschi di Monza, Monza (1997)
Es entstehen die mehrteilige Werkreihe African Landscapes sowie die Werke Wanting to Build a House (1994), A Man Without Livestock Isn’t a Man (1994) und His Land (1997)
1993 Erste Präsentation der Afrika-Bilder im Kunstverein Paderborn
In den Jahren 1995–1997 entsteht das monumentale Triptychon The Stream of Time.
Reisen nach Spanien (Ibiza), wo sie auch den ZERO-Künstler Heinz Mack trifft.
1999 Tod von Hans Baumgarte
2000–04
2000 Reisen nach Afrika, Italien, Spanien (Ibiza), USA und Großbritannien
2000 Einzelausstellung Visiones Africanas, Sala Pelaires Galeria d’Art, Palma de Mallorca
2001 Einzelausstellung African Visions, Susan Aberbach Fine Art, Fuller Building, New York
2002 Einzelausstellung Galerie Schloss Mochental, Ehingen
2004 Einzelausstellung Galleria Marieschi di Milano, Mailand
2011–13
2011 Letztes Selbstbildnis (unvollendet). Das letzte Werk des Afrika-Zyklus, Afrikanische Komposition, bleibt unvollendet
2012 Gründung der Kunststiftung Ruth Baumgarte
Am 7. Februar 2013 verstirbt Ruth Baumgarte in Bielefeld